Amour (2012)

Written by Kalla Malla on September 21, 2012

Durch die Pariser Wohnung des betagten Musiker-Ehepaars Georges (Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle Riva) weht der Hauch eines erfüllten Lebens in Dur. Als Anne plötzlich einen Schlaganfall erleidet, wechselt die Daseinstonalität in sanftes Moll. In ihrem gemeinsamen Leben ist nichts mehr wie es war. Anne ist unterhalb der Hüfte halbseitig gelähmt und sitzt fortan im Rollstuhl. Zunächst also ist Anne nur körperlich eingeschränkt, doch es dauert nicht lange bis sie auch geistig zu verfallen beginnt. Georges ist willens, diese Zäsur und die Bürde der Pflege auf sich zu nehmen - komme, was wolle. Aber auch mit Georges geht es bergab. Durch den Umstand, daß er sich aufopferungsvoll um seine Frau kümmert, nimmt er sich selbst völlig zurück und wird dabei ein Gefangener in seinen eigenen vier Wänden. George schafft es nicht mehr, alle Aufgaben allein zu bewältigen und benötigt die zusätzliche Hilfe zweier Pflegekräfte. Die einst glückliche Beziehung scheint zu zerbrechen. Schließlich greift George zur letzten Konsequenz...

Regisseur Michael Haneke erzählt von einer gereiften Liebe, geprägt von Zuneigung, Verständnis, Respekt und der Gewissheit, dass nicht einmal der Tod dieses Band der Innigkeit zu durchschneiden vermag. Seinen beiden Hauptdarstellern bei ihrem Ringen um Würde zuzusehen, ist ein überaus schmerzvoller Prozess, der einem die eigene Endlichkeit schonungslos vor Augen führt. Eine schauspielerische Tour de Force, die Seelenfenster in aller Vehemenz aufstößt und mit einem letzten Akt der Liebe zutiefst verstört. Haneke verharrt diesmal als lakonisch-stoischer Beobachter. Das Leben ist mitleidslos genug. Eine filmische Hymne an die Zumutung der Liebe.

Michael Haneke hat mit diesem Werk bereits zum siebenten Mal an den Filmfestspielen von Cannes teilgenommen, und auch zurecht gewonnen. Mit seiner unbequemen und radikalen Art bleibt er auch in »Liebe« seiner Linie treu und sorgt nicht gerade für leichte Kinokost. Der Goldene-Palme-Gewinner von 2009 (für »Das weiße Band«) fordert von seinem Publikum viel Aufmerksamkeit. Niemand wird sich gern freiwillig mit der im Film geschilderten Situation auseinandersetzen. Aber dem Regisseur gelingt es, den unaufhaltsamen Prozess des Alterns würdevoll in Szene zu setzen. »Liebe« kein reißerischer Hospiz-Schocker, sondern eher ein stiller Film, langsam erzählt und mit vielen feinen Nuancen. Den Verfall eines Menschen auf diese Art zu sehen, tut aber dennoch sehr weh. Vor allem wenn man sich bewußt ist, daß man auch selber einmal in diese Lage geraten könnte.

Fazit: Das Sterbe-Drama von Michael Haneke wurde berührend, aufwühlend und warmherzig in Szene gesetzt. Die Härte, Präzison und Konsequenz des Gezeigten sind für den Regisseur typisch. Für Arthouse Fans sicher eines der größten Kino-Highlights des Jahres.