The Green Room (1978)

Written by Kalla Malla on June 9, 2013

»Ich müsste tot sein, damit du mich lieben kannst!«

»Das grüne Zimmer« aus dem Jahr 1978 ist einer der am wenigsten bekannten und gleichzeitig persönlichsten Filme des großen Francois Truffaut. Schauplatz ist eine französische Kleinstadt in den 20ern. Journalist Julien (Truffaut selbst) ist bei einer kleinen Zeitung zuständig für Nachrufe und seit seiner Rückkehr aus dem Krieg und dem Verlust seiner Ehefrau vom Tod geradezu besessen. In einem Zimmer seines Hauses, dem »grünen« Zimmer, bewahrt er sämtliche Andenken auf. Verachtung empfindet er für Freunde, für die nach einem schweren Verlust das Leben weitergeht. Er plant, eine Kapelle als Gedenkstätte für »seine Toten« herzurichten. Mit der Auktionshaus-Angestellten Cecilia (Nathalie Baye) begegnet er einer Seelenverwandten. Doch wie sollen sie eine Zukunft haben, wenn beide nur für die Vergangenheit leben?

Verständlicherweise bei diesen schwierigen Themen war »Das grüne Zimmer« kein Publikumserfolg. Zu düster, melancholisch und morbide entwickelt sich die Geschichte, bei der man niemals ein glückliches Ende erwartet. Truffaut zollt seinem Vorbild Hitchcock durch mehrere Anspielungen (etwa auf »Rebecca« und »Vertigo«, insbesondere durch die Farbgebung) Respekt, im Ausloten von Seelenzuständen geht er aber sehr viel tiefer. Wer einen Zugang findet, der wird begeistert sein von der dramatischen Kraft und der Detailversessenheit, mit der Truffaut seine Charaktere ausstattet. Julien beschimpft einen Priester, der nicht in der Lage ist, einem Hinterbliebenen Trost zu spenden und stattdessen das Himmelreich verspricht. Er führt einem Schüler Dias vor - Bilder des Krieges, grausame, verstörende Bilder, die der Junge kaum ertragen kann. Der Tod ist für ihn überall, seine Besessenheit richtet sich nicht gegen das Leben, aber gegen das Vergessen.

»Das grüne Zimmer« wurde fotografiert von Nestor Almendros, einem der besten Kameramänner aller Zeiten, und die Kraft der Bilder wirkt lange nach. Neben Truffaut brilliert die wundervolle Nathalie Baye mit einer sensiblen und lebendigen Darstellung. Ihre Cecilia schafft die Befreiung aus der eigenen Starre, sie liebt Julien und weiß, dass ihre Gefühle niemals erwidert werden, solange Julien nur die Toten liebt. Truffaut zwingt uns - den Zuschauer - über Tod und Verlust nachzudenken, unseren eigenen Standpunkt zu überprüfen. Gleichzeitig erzählt er eine hinreißende Liebesgeschichte, wie es sie in dieser Form zuvor und danach nicht gab. Ich wusste nicht, was mich beim »Grünen Zimmert« erwartet, aber nach kurzer Zeit hat mich Truffauts Film gepackt und nicht mehr losgelassen. Für mich gehört er zu seinen besten und mutigsten Filmen.